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Schwarze Löcher

Der gemeine Homo Sapiens weiß über Schwarze Löcher eigentlich nur, dass sie alles in ihrer Umgebung aufsaugen, sogar Licht, und dass sie irgendwas mit Physik zu tun haben. Damit erschöpft sich das Wissen auch schon – und die Möglichkeit, dass im Teilchenbeschleuniger LHC in der Schweiz winzige Schwarze Löcher entstehen könnten, sorgte daher für so einige Sorgenfalten oder – in Extremfällen – für gebräunte Unterhosen. Und nicht zuletzt sorgte es für solche Schwachsinnsfilme wie „Helden – Wenn dein Land dich braucht“.

Helden
DAS ist kein Schwarzes Loch. Das ist ein Special-Effects-Loch, in dem RTL-Geld verschwunden ist.

Aber was ist ein Schwarzes Loch eigentlich? Ein schwarzes Loch ist, einfach ausgedrückt, Materie, die den normalen physikalischen Gesetzen den Stinkefinger zeigt und sich auf engeren Raum zusammengezogen hat, als es eigentlich möglich sein sollte. Viele kennen sicher diese Darstellung des Universums als Gummimatte, in der ein Planet oder ein Stern eine Vertiefung hinterlässt, um so die Krümmung des Raumes und die daraus resultierende Anziehungskraft zu visualisieren. Ein Schwarzes Loch wäre in dieser Darstellung keine bloße Vertiefung, sondern eher eine Art Tropfen unter der Gummimatte.

Schwarze Löcher gibt es in mehreren Größen. Supermassive Schwarze Löcher gibt es in den Zentren von Galaxien; in unserer Milchstraße ist das Sagittarius A*, welches etwa die Masse von 4 Millionen Sonnen hat. Rundherum kreisen noch einige deutlich kleinere Schwarze Löcher, die aber immer noch Tausende Sonnenmassen haben können. Das Zentrum unserer Galaxie ist damit noch ein Leichtgewicht: Andromeda hat in seinem Kern ein Schwarzes Loch mit etwa 100 Millionen Sonnenmassen. (Da die Andromedagalaxie auf uns zukommt und mit der Milchstraße kollidieren wird, lade ich alle Mitmenschen herzlich dazu ein, Panik und Katastrophenfilme zu entwickeln. Dauert aber noch über vier Milliarden Jahre; das Leben auf unserer Erde ist dann schon lange unmöglich.)

Ebenso gibt die stellaren Schwarzen Löcher, die aus massereichen Sternen entstehen. Ein Stern ist ja sowieso ziemlich schwer, aber während seine Masse auf den Kern drückt, verschmelzen im Inneren des Kerns leichtere Elemente zu schwereren (für die meiste Lebenszeit Wasserstoff zu Helium), wodurch Energie freigesetzt wird, die einen Gegendruck erzeugt und so dafür sorgt, dass der Stern die meiste Zeit eine relativ konstante Größe hat. Am Ende der Lebenszeit geht dieses Gleichgewicht zum Teufel. Der Stern bläht sich auf, weil auch außerhalb des Kerns Fusionsprozesse anfangen und sowohl nach oben als auch nach unten drücken, in seinem Inneren verschmelzen auch schwerere Elemente, und wenn er schwer genug ist, explodiert er irgendwann in einer Supernova. Der kümmerliche Rest fällt mit so einer Wucht in sich zusammen, dass er zu einem Neutronenstern oder, wenn er etwa dreimal schwerer als unsere Sonne ist, zu einem Schwarzen Loch wird. Unsere Sonne schafft es nicht mal zur Supernova, da bleibt am Ende nur ein Weißer Zwerg – wenn man so will, ein riesiger Diamant.

Schwarzes Loch mit großer Akkretionsscheibe
Ein Schwarzes Loch mit ganz schön viel Nahrung rundherum. Bei "Raumschiff Enterprise" nannte man so ein Phänomen übrigens "Schwarzer Stern", noch bevor der Begriff vom "Schwarzen Loch" geprägt wurde und das Konzept Eingang ins Allgemeinwissen fand.

Stellare Schwarze Löcher können miteinander verschmelzen und größere Schwarze Löcher bilden. Viel kleiner können (bislang nicht praktisch nachgewiesene) Schwarze Löcher sein, die direkt nach dem Urknall entstanden sein könnten. Die könnten jegliche Masse haben, von gigantisch bis winzig – es ist möglich, dass winzige Exemplare dieser primordialen Schwarzen Löcher durch unsere Erde fliegen könnten, ohne mehr als ein paar wenige Atomkerne dabei zu treffen.

Und wo wir bei den Winzlingen sind, können wir auch von denen reden, die theoretisch im LHC entstehen können, wenn kleine Teilchen aufeinander geschossen werden und mit so einer Energie kollidieren, dass sie Schwarze Löcher bilden, die allerdings extrem klein wären. (Wenn wir uns ein Körnchen von der Größe so eines Schwarzen Lochs vorstellen, würden in das Volumen eines Sandkorns mehr von diesen Körnchen passen als Sandkörner ins gesamte Universum.) Wenn allerdings bei hochenergetischen Zusammenstößen kleiner Teilchen solche Schwarzen Löcher entstehen, dann tun sie das schon seit Milliarden Jahren in den oberen Schichten der Erdatmosphäre, wo solche Kollisionen ganz natürlich stattfinden, weil die Erde einem dauernden Beschuss mit kosmischer Strahlung ausgesetzt ist.

Wie der Name schon sagt, entkommt aus Schwarzen Löchern nicht mal Licht. Um in einem Schwarzen Loch zu verschwinden, muss man den so genannten Ereignishorizont passieren. Würde man in ein Schwarzes Loch fallen, würde man diesen Moment gar nicht wirklich bemerken. Es gibt allerdings ein paar putzige Effekte. So würde die Zeit für den armen Kerl, der hineinfällt, immer langsamer vergehen. Ein Beobachter in sicherer Entfernung könnte also sehen, wie der Mensch immer langsamer strampelt, bevor er endgültig (und starr) verschwindet. Das Opfer würde außerdem das erleben, was Physiker tatsächlich als Spaghettifizierung bezeichnen: Weil die Körperteile, die etwas näher am Schwarzen Loch dran sind, stärker angezogen werden, wird der Körper gestreckt und gedehnt und schließlich auseinandergerissen. Das kann bei kleineren Schwarzen Löchern schon passieren, bevor man den Ereignishorizont erreicht – in diesem Fall können also die Angehörigen noch bewundern, was mit einem passiert, und diesen Anblick immer in ihren Herzen behalten.

Warum sind wir aber noch nicht alle in einem Schwarzen Loch geendet? (Ich ignoriere hier mal die Theorie, dass unser ganzes Universum eigentlich das Innere eines Schwarzen Loches ist.) Weil Schwarze Löcher dann doch nicht so magisch sind: Ihre Anziehungskraft entspricht weiterhin ihrer Masse; nur in ihrer nächsten Nähe ist es tatsächlich schwer bis unmöglich, ihnen zu entkommen. Das heißt: Würde man die Sonne durch ein Schwarzes Loch mit gleicher Masse ersetzen, würden die Planeten weiterhin unbeeindruckt ihre Bahnen ziehen und nicht in das Loch fallen. Es würde bei uns nur empfindlich kalt und dunkel werden, also bitte: Macht das nicht. Wer übrigens unbedingt in so ein Schwarzes Loch mit Sonnenmasse fallen wollen würde, müsste gut zielen: Es hätte gerade mal einen Durchmesser von sechs Kilometern. (Zum Vergleich mit einer normalen Sternenleiche, also einem Weißen Zwerg mit derselben Masse, stelle man sich eine Kugel mit 10.000 Kilometern Durchmesser vor – etwas kleiner als die Erde.)

Sonne und Erde
"Reich mir mal die Sonnencreme."

Schwarzes Loch und Erde
"Ich glaub, es war ein Fehler, so auf Solarenergie zu setzen."

Das bedeutet auch, dass ein Mikro-Schwarzes-Loch, welches in einem Teilchenbeschleuniger entstehen könnte, nicht mehr Anziehungskraft haben kann als die kleinen Elementarteilchen, aus denen es entstand (eigentlich noch sehr viel weniger, weil ja einiges bei dem Aufprall verloren geht). Und weil das Schwarze Loch so winzig ist, gibt es in seiner unmittelbaren Nähe gar nichts, was es aufsaugen kann, um zu wachsen. Daher ist die Darstellung in „Helden – Wenn dein Land dich braucht“ so absurd – das Schwarze Loch im Film hat je nach Szene eine Schwerkraft, die die der Erde übertreffen kann, gleichzeitig an der nächsten Labortür aufhört zu wirken und dennoch Satelliten aus der Erdumlaufbahn ziehen kann.

Die Schwärze der Schwarzen Löcher bedeutet nicht zwangsläufig, dass es in ihrer Umgebung auch dunkel ist. Wenn ein großes Schwarzes Loch dabei ist, eine Gaswolke aufzunehmen, wird das Gas beim Hineintrudeln beschleunigt und verdichtet und so immer weiter aufgeheizt, sodass es schließlich Strahlung abgibt – teilweise sogar sehr energiereich in Form von Röntgenstrahlen.

Daneben gibt es auch die Hawking-Strahlung. Stephen Hawking stellte nämlich die Theorie auf, dass Schwarze Löcher im Laufe der Zeit quasi verdunsten könnten. Die Idee basiert darauf, dass aus dem Nichts spontan kleine Teilchen-Antiteilchen-Paare entstehen können, die sich normalerweise sofort gegenseitig wieder vernichten. In der Nähe eines Schwarzen Loches kann es jedoch passieren, dass eines der beiden Teilchen ins Loch fällt und das andere weiter existiert. Damit sich aber die Gesamtenergie im Universum nicht ändert, muss das Schwarze Loch im Gegenzug etwas an Masse abgeben. Es wird also um einen winzigen Teil kleiner. Das „überlebende“ Teilchen würde für einen Beobachter erscheinen, als hätte das Schwarze Loch es abgegeben. Diese sehr schwache Hawking-Strahlung, die zwar noch nicht zweifelsfrei bewiesen ist, aber dennoch unter Physikern anerkannt ist, begründet auch, warum die winzigen Schwarzen Löcher, die im LHC entstehen könnten, nur wenige Bruchteile von Sekunden existieren würden – sie würden schlicht und einfach zerstrahlen, bevor sie Gelegenheit hätten zu wachsen. Auch große Schwarze Löcher werden mit der Zeit zerstrahlen: Lange Zeit, nachdem die letzten Sterne des Universums verglüht sind, werden selbst die größten Schwarzen Löcher allmählich verschwinden und für den kurzen Moment ihres Todes die allerletzten Lichter im Universum sein.

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