Das Problem fängt da an, wo wir Gefühle zu schützenswerten Rechtsgütern erheben, die in ein Strafmaß miteinbezogen werden. Es gibt eine objektive Tat (zum Beispiel das unaufgeforderte Zeigen von Geschlechtsorganen in einem öffentlichen Raum, in dem damit nicht rechnen ist, also nicht am FKK Strand, da weiß man ja was einen erwartet) und für diese Tat kann es ein Strafmaß geben, und dieses Strafmaß hat ja in der Regel auch schon immer einen Spielraum, damit ein Richter angemessen reagieren kann, unter welchen Umständen ist es dazu gekommen, etc.
Auch die Androhnung einer Tat kann man bestrafen. Ist ja auch ein objektives Vorgehen und zwar unabhängig davon, ob der Bedrohte nun Angst empfunden hat oder nicht.
Gefühle sind nicht objektiv. Ich habe die Angewohnheit, wenn ich konzentriert über etwas nachdenke, so vor mich hinzustarren. Da wurde ich auch mal angesprochen, dass das der Dame mir gegenüber unangenehm sei, wie ich sie anstarren würde. Ich hatte sie aber bis dahin gar nicht wahrgenommen. Naja, wir konnten das klären, aber wieviele Leute fühlten sich wohl schon durch mich beunruhigt, weil ich sie angestarrt habe? Keine Ahnung. Ich bin aber ganz froh, dass es da keinen Straftatbestand gibt zur Verunsicherung von Personen. Ich kann meine Handlungen steuern, weshalb diese Strafrechtsrelevant sind, aber nicht die Gefühlsreaktionen der Menschen darauf um mich herum, weshalb diese nicht strafrechtsrelevant sein sollten.
Ich meine umgekehrt, vielleicht fühlt sich ein Wahabit von einer nicht verschleierten Dame zutiefst in seinen religiösen Gefühlen verletzt, aber deswegen wird zumindest in unserem Rechtsstaat niemand ohne Burka bestraft. Jetzt kann man sagen der Vergleich hinkt doch, Exibitionisten und stockkonservative Moslems mit seltsamen Koranauslegungen, aber wer will Gefühle ranken? Kann man schlecht, und deswegen sollte man sich an Taten orientieren, die andere in zweifelsfrei objektiver Weise schädigen, wenn man über Strafen nachdenken möchte.
Was gutes Benehmen ist und gesellschaftlicher Konsens über Verhalten, steht auf einem anderen Blatt.
Jeder hat Gefühle, und keiner kann verlangen, dass andere seinen Gefühlen einen höheren Wert beimessen als ihren eigenen. Und wenn wir anfangen, die Gefühle von bestimmten Personen über die Gefühle anderer zu stellen, um allgemeingültige Normen oder gar Gesetze zu schaffen und durchzusetzen, dann ist das automatisch eine zutiefst ungerechte Gesellschaft.