Glaubt wirklich irgendjemand, dass einen Lehrling zu feuern der richtige Weg ist? Dann wird er seine Meinung ändern? Oder wird er nicht vielmehr verbitterter werden und schon allein aus Trotz noch fester zu dieser Meinung stehen? Wäre es nicht viel sinnvoller, der Meister oder ein Kollege nimmt den Lehrling mal in einer ruhigen Minute beiseite und sagt ihm in einem vertraulichen Gespräch, dass das vielleicht nicht die klügste Äußerung zu dem Thema war und wo denn sein Problem mit den Flüchtlingen liegt? Also einen Dialog anstoßen zwischen Menschen die in einer engeren Beziehung zueinander stehen, anstatt von einem anonymen Internetmob um seine Stelle gebracht zu werden?
Ich mache ehrenamtlich Jugendarbeit, naja, so Gruppenleiter halt. Udn da begegnen einem schon Äußerungen von Jugendlichen, die, naja, geschmacklos bis grenzwertig sind. Ich habe aber noch nie versucht an deren Schule einen Shitstorm loszutreten, sondern einfach mal gefragt, ob das so ernst gemeint war, warum die das meinen und so weiter. Ich bilde mir mal ein nicht dne entferntesten Zugang zu denen zu haben, das kann man auch nutzen um etwas anzustoßen. Ich will auch keine Hirnwäsche betreiben, aber mal reflektieren lassen, woher kommt denn meine eigene Meinung, wieso vertrete ich die und auch mal einen anderen Blickwinkel auf ein Thema gezeigt zu bekommen, das finde ich sinnvoll. Meinungen sind nicht in Stein gemeiselt, aber meiner Meinung nach kann man sie nur selbst verändern, ein Shitstorm ändert keine Meinung, er unterdrückt nur ihre Äußerung. Das halte ich für viel gefährlicher, ich weiß nämlich im Zweifel lieber woran ich bin bei meinem Gegenüber, anstatt, dass eine nicht so gern gesehene Meinung versteckt wird.
Wenn man eine Meinung vertritt, wie dass Homosexuelle keine Kinder adoptieren dürfen sollten, dann kann man ja Parteien wählen, die dieses Anliegen vertreten. Und natürlich auch umgekehrt, wenn man richtig findet, dass sie adoptieren dürfen. Da gibt es für beide Lager ja Parteien mit entsprechenden Haltungen. So bilden wir in einer Demokratie Meinungen ab, die gesellschaftliche Relevanz haben, über Parteien und Wahlen. Aber wir schlagen udn nicht (virtuell) die Köpfe ein. Wir haben uns darauf verständigt, dass die Mehrheit gewisse Regeln festlegen darf, zu gewissen Spielregeln. Hat eine Minderheit das Gefühl, dass die Regeln verletzt werden, kann sie rechtliche Schritte einleiten und das prüfen lassen. Dieses System funktioniert an sich ganz gut, auch wenn es sicherlich immer wieder Lücken gibt und nicht jeder damit zufrieden ist. Es hat uns aber in der Nachkriegszeit zu einem sehr stabilen und erfolgreichen Staat gemacht. Shitstorms und ähnliche Aktionen sind der Versuch, dieses System zu unterlaufen, weil man sich nicht an die Regeln halten möchte.
Es spricht nichts dagegen seine eigene Meinung (welche auch immer das ist) kundzutun, zum Beispiel über eine Demonstration, aber andere wegen ihrer Meinung fertig zu machen, das geht gar nicht.
Eine Meinung zu haben, darf nicht strafbar sein in einer Demokratie. Das wäre ihr Ende. Aber deswegen hat man auch noch lange nicht das Recht, seine Meinung durch- oder umzusetzen. Das muss man trennen. Die Meinung und eine Tat, die durch eine Meinung motiviert sein kann, aber das sind zwei Paar Schuhe.