Frag den Hasen

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Lieber Klopfer,
kannst du für jemanden der sich grundsätzlich im politischen Umfeld auskennt aber einfach etwas zu jung ist um es damals verfolgt zu haben, einmal die Agenda 2010 erklären.
Der Grundsatz ist klar: Arbeitsmarktreform, Reduzierung des Arbeitslosengeldes, Senkung der Lohnnebenkosten ...
Was genau wurde da aber geändert und warum zum Teufel hat das die SPD gemacht? Das was ich so gelesen habe, ist ja eher etwas das man der Union oder der FDP zutrauen würde.
Wie hat sich das auf die Wirtschaft aber vor allem auf die Menschen im Land ausgewirkt. Kann man die Agenda (aus sicht der SPD) als Erfolg verbuchen oder eher nicht.
Und um den aktuellen Bezug herzustellen: Was möchte Martin Schulz daran ändern und warum?
Uh, das ist ein umfangreiches Thema, deswegen kann ich hier jetzt nicht alles abhandeln, sondern nur ein paar Punkte.
Erst mal zum Warum: Auch wenn man es heute nicht glauben mag, so Ende der 90er Jahre galt Deutschland als kranker Mann Europas. Es stagnierte alles mehr oder weniger, die Arbeitslosenzahlen sanken nicht, die Wirtschaft beklagte, dass sie nicht flexibel auf Nachfrage-Änderungen reagieren könne, weil die Beschäftigungsverhältnisse zu fest und die Lohnnebenkosten zu hoch wären. Das Haushaltsdefizit wurde immer höher.
Das war auch ein Faktor, der dazu führte, dass Helmut Kohl die Wahl 1998 verlor und Helmut Schröder Kanzler wurde. Die anderen Länder in Europa schauten natürlich auch skeptisch auf Deutschland, und so stellte Schröder die Agenda 2010 auf und trieb diese Reformen voran, weil er der Meinung war, dass dies nötig wäre.

Die Maßnahmen waren dann vielschichtig. Der Kündigungsschutz wurde gelockert, in vielen Handwerken konnte man Betriebe auch ohne Meisterprüfung gründen, BAFöG-Beschränkungen wurden aufgehoben, es wurden neue Regeln für geringfügig Beschäftigte eingeführt, wobei z.B. bei kurzfristiger Beschäftigung keine Sozialabgaben mehr gezahlt werden mussten, außerdem konnten Minijobs nun auch mehr als 15 Stunden in der Woche dauern. Arbeitslose, die sich selbstständig machten, wurden mit Fördergeldern unterstützt (nannte man Ich-AG, wurden 2006 abgeschafft, aber es gibt heute ähnliche Förderungen).
Der größte Knackpunkt war aber die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige zum Arbeitslosengeld II. Früher bekam man nach Eintreten der Arbeitslosigkeit für eine bestimmte Zeit Arbeitslosengeld (wie heute auch) und danach Arbeitslosenhilfe, die etwas mehr als die Hälfte des alten Netto-Arbeitslohns betrug. Die Sozialhilfe wurde (und wird) nach festen Sätzen ausgezahlt, das Arbeitslosengeld II, welches nun statt der Arbeitslosenhilfe gezahlt wird, entspricht diesem jetzt. Rein nominal lag der ALG-II-Satz bei der Einführung über dem bis dahin festgelegten Sozialhilfe-Satz, allerdings gab es vorher noch viele Zuschläge, die man in Anspruch nehmen konnte, die jetzt weggefallen sind, weswegen der ALG-II-Satz insgesamt auch Einbußen für die bedeutete, die vorher Sozialhilfe bekamen. Weiterhin wurden die Sanktionen verschärft, mit denen Arbeitslose bestraft werden können, wenn sie nach Meinung der Sachbearbeiter nicht nach einem Job suchen oder den Auflagen der Jobcenter nicht nachkommen.

Waren die Reformen erfolgreich? Das ist schwer zu beantworten. In erster Linie sind viele Job im Geringverdienerbereich entstanden, es gibt weniger Arbeitslose (auch wenn man die Tricks herausrechnet, mit denen die Statistik heute kleingerechnet wird); die Wirtschaft ist zugegebenermaßen heute konkurrenzfähiger und flexibler, allerdings stehen viele der ärmsten Menschen in Deutschland heute vergleichsweise schlechter da. Die öffentlichen Ausgaben für Soziales sind deutlich gestiegen, obwohl man sie mit den Reformen deutlich senken wollte. Man weiß nicht so recht, ob die positiven Auswirkungen tatsächlich wesentlich auf die Reformen zurückzuführen sind; zumindest zweifeln viele Menschen daran, dass der harte Teil (der mit Hartz-IV und so) für die wirtschaftliche Entwicklung tatsächlich so wichtig war.

Was Schulz konkret daran ändern will, ist bislang nicht so klar. Bisher hat er nur gesagt, dass er die Beziehungsdauer für das erste Arbeitslosengeld bei Älteren verlängern will, damit die später erst auf Hartz-IV-Niveau rutschen.