Frag den Hasen

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Was hältst du hiervon? Ist der Islam nur missverstanden?
Das Thema ist komplizierter, als in dem Artikel angedeutet wird.
Der Koran selbst ist nicht sehr deutlich, was Homosexualität angeht. In der Erzählung von Lot (der mit Sodom und Gomorrha) im Koran steht (Sure 7:80-84):
Und (Wir sandten) Lut, als er zu seinem Volk sagte: „Wollt ihr denn das Abscheuliche begehen, wie es vor euch niemand von den Weltenbewohnern begangen hat? Ihr laßt euch doch wahrlich in Begierde mit den Männern ein anstatt mit den Frauen. Aber nein! Ihr seid maßlose Leute.
Die Antwort seines Volkes war nur, daß sie sagten: „Vertreibt sie aus eurer Stadt! Das sind Menschen, die sich rein halten."
Da retteten Wir ihn und seine Angehörigen, außer seiner Frau; Sie gehörte zu denjenigen, die zurückblieben.
Und Wir ließen einen Regen auf sie niedergehen. So schau, wie das Ende der Übeltäter war!

Das deutet zumindest an, dass Mohammed sich dessen bewusst war, dass Homosexualität zumindest in der Überlieferung als Sünde galt. Die arabischen Wörter für Analverkehr (mit einem Mann oder einer Frau, die nicht Ehefrau oder Sklavin ist) und Knabenliebe (Liwat) und die, die das praktizieren, leiten sich auch von "Lot" bzw. "Lut" ab. Es gibt aber keine konkrete Strafe im Koran explizit für Homosexualität (lediglich für Liwat, was ja nicht so eindeutig ist), aber dass sie von Gott nicht wirklich erwünscht ist, kommt schon raus.

In der islamischen Welt beziehen sich die Gelehrten zur Begründung der Ablehnung der Homosexualität auf einige Hadithe, in denen recht deutlich gesagt wird, dass Mohammed Schwule ablehnte und sie verfluchte. Es gibt auch eine Stelle, nach der Mohammed sagte, dass diejenigen gesteinigt werden sollten, die das tun, was Lots Volk getan hat. Das ist wiederum nicht sehr deutlich (weil die ja noch mehr getan haben als nur so was), aber ich finde es etwas weit hergeholt zu behaupten, dass sich das nur aufs Gastrecht beziehen würde. Die Geschichte um Sodom und Gomorrha war ja damals allgemein bekannt. Die Juden haben sie erzählt, die Christen haben sie erzählt, und jedes Mal war das Augenmerk nicht nur darauf, dass die Bewohner der Städte nicht nur das Gastrecht mit Füßen getreten haben, sondern auch ganz schön pervers waren. Und nun soll Mohammed sich einfach nur auf das Gastrecht beziehen und das nicht mal konkretisieren? Woher sollten seine Zuhörer dann wissen, dass er sich nur aufs Gastrecht bezieht, wenn doch alle anderen, die darüber reden, auch das hemmungslose Rumficken meinten? Das ist also nicht sehr überzeugend, und meines Wissens treten auch fast nur westliche Islamwissenschaftler für so eine Interpretation ein, was mich dann eher glauben lässt, dass da der Wunsch der Vater des Gedanken ist, heutigen Islamisten sagen zu können, dass sie falsch lägen.

Dass es bis in die Neuzeit keine Verurteilung von Homosexualität im Islam gegeben hätte, ist schlichtweg falsch. Ibn al-Jawzī tat es im 12. Jahrhundert, Al-Nuwayrī im 14. Jahrhundert, und die Hadithe sind ja auch noch älter.
Es ist richtig, dass es dennoch in den Gebieten eine gewisse Romantisierung von homosexuellen Verhältnissen gab, was sich auch in der Kunst äußerte. Dennoch sollte man da jetzt nicht den Fehler machen, das mit absoluter Toleranz gleichzusetzen, zumal den Leuten durchaus bewusst gewesen sein dürfte, dass das eigentlich von Allah nicht so gern gesehen wird. Es gab auch im Mittelalter verschiedene islamische Rechtsschulen, die Strafen konnten also von milde bis Todesstrafe eine ganz schöne Bandbreite einnehmen. Oft wurde auch eher der Analverkehr an sich und nicht die Zuneigung zu einem Mann als die eigentliche Sünde angesehen, insbesondere, wenn man der Penetrierte war. In den meisten Fällen herrschte wohl aber eine "Wo kein Kläger, da kein Richter"-Mentalität, also dass man üblicherweise eher wegguckte, wenn sich nicht jemand explizit beschwerte oder man jemandem ans Zeug flicken wollte.
Ein großer Teil der Literatur mit diesem Thema im Mittelalter und der frühen Neuzeit preist auch nicht unbedingt Homosexualität an sich, sondern die Knabenliebe. Und generell scheint ein Hierarchieunterschied immer eine große Rolle zu spielen, ähnlich wie im Römischen Reich: Auch dort war Homosexualität nur geduldet, wenn sie z.B. zwischen Mann und Knabe oder zwischen Bürger und Sklave stattfand; zwei männliche Bürger, die miteinander verkehrten, konnten schwer bestraft werden.

Dass Strafen für Homosexualität durchaus keine neue Erfindung waren, sieht man auch daran, dass das Osmanische Reich Homosexualität 1858 dekriminalisierte, was ja nur dann möglich ist, wenn es vorher im Kalifat strafbar war.

Von daher ist es nicht richtig zu sagen, dass "der Islam" Homosexualität gegenüber aufgeschlossen sei. Im besten Fall ist er gleichgültig, im schlechtesten Fall lehnt er ihn kategorisch ab. Viel von dem, was heute (gerade von westlichen Akademikern) geschrieben wird, scheint häufig dem Grundsatz unterworfen zu sein, dass wir Geschichte so interpretieren müssen, dass sie unsere heutigen Ansichten bestätigt, anstatt eine korrekte Vorstellung von den tatsächlichen historischen Gegebenheiten zu haben. (Erinnert ja ein bisschen an das heutige Jesusbild, was mit dem historischen Jesus und seinen Ansichten kaum was zu tun haben dürfte. biggrin.gif) Ich find's schon etwas anmaßend, wenn sich westliche Islamforscher hinstellen und mit absoluter Autorität erzählen wollen, dass irgendwelche in der islamischen Welt verbreiteten (und von vielen dortigen Gelehrten auch vertretenen) Einstellungen ja ganz gegen die Religion wären.