Alternative Erklärungen zu "dummen" AfD Wählern
Weil es hier öfters die Diskussion gab, möchte ich hier mal einen anderen Ansatz vorstellen, den Götz Aly in seinem Buch "Warum die Deutschen? Warum die Juden?" einschlägt. Ganz lesenswert, nebenbei. Aly äußert sich 2011 in seinem Buch noch gar nicht über die AfD, aber was er an Faktoren für den Sieg der NSDAP zusammenträgt, lässt sich teils in die Gegenwart übertragen.
Die NSDAP war lange Zeit eine völlig unbedeutende Splitterpartei und holt dann in Erdrutschsiegen bis zu 44% der Stimmen. Dabei punkten sie entgegen ihres Namens gar nicht so sehr bei den Arbeitern, sondern im Arbeitermileu, der einfachen Angestellten, aber auch der Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte und Händler. Aly arbeitet heraus, dass nach dem ersten Weltkrieg eine verkrustete Gesellschaft aufbrach und es völlig neue Möglichkeiten zum wirtschaftlichen Aufschwung gab (wer mag hier nicht an die Nchwendezeit in der ehemaligen DDR denken?). Übrigens auch geschaffen durch die demokratischen Parteien, die mit einer Bildungsoffensive dies vorantrieben. Die frisch Aufgestiegenen hatten einerseits starke Angst wieder abzurutschen (Weltwirtschaftskrise) und andererseits hatten Juden bereits einen Ticken früher angefangen die Chancen zu nutzen, weil sie davor schon oftmals die bessere Bildung genossen hatten. Es entstand Neid auf die Juden (heute die Grünen?).
Die Leute der NSDAP waren zum Größtenteil solche Aufsteiger, fast alle von Hitlers (persönlich ernannten) Gauleitern entstammten der unteren Schicht, arbeiteten sich dann aber hoch. Sie waren jung und zupackend und verstanden genau die Sorgen ihrer Wähler. Im Gegensatz zu etablierten Parteien wie der SPD, deren Politiker am Ende der Weimarer Zeit schon alt waren und gar nicht dem Mileu ihrer Wähler entsprangen (Parteien, die sich vom Wahlvolk abgelöst haben).
Und am Ende kontruiert Aly dann, dass KPD und NSDAP beides kollektivistische Bewegungen waren, die dem Liberlismus entgegen standen.
Die Wähler von AfD und BSW sind nicht dumm, sie sind neidisch.
Klopferator
Hm, so würde ich das nicht unterschreiben, denk ich. (Ich hab das Buch nicht gelesen, ich beziehe mich jetzt nur auf deine Zusammenfassung.) Natürlich stimmt das mit den Abstiegs- und Verlustängsten, und natürlich wurde der sowieso latente Antisemitismus benutzt, um Ängste auf ein Ziel zu kanalisieren (die Juden), weil jede Ideologie ein Feindbild braucht, gegen das man ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen kann.
Aber ich würde im Neid auf Juden nicht den Kern der Anziehungskraft der NSDAP sehen. Die Nazis haben es gut verstanden, an das Bedürfnis der Leute zu appellieren, sich wertgeschätzt zu fühlen. Man hat den Leuten gesagt: Ihr seid Deutsche, ihr gehört zu unserer Gemeinschaft, ihr tragt jeder Einzelne eine Verantwortung und ihr könnt was bewegen für unsere Zukunft. Das ist wichtig für Leute, sich anerkannt zu fühlen. (Die Kommunisten haben's ja ähnlich angefasst, nur eben oft bezogen auf die Arbeiterschaft, tw. national, tw. international.)
Die Wähler von AfD und BSW sind nicht in erster Linie neidisch. Sie wissen aber, weil sie eben besonders von Abstiegssorgen betroffen sind, dass sie es sind, die z.B. mit Migranten um knappe Ressourcen konkurrieren müssen. Das ist ja auch ein Grund, wieso auch viele mit Migrationshintergrund die AfD wählen, weil sie die ersten sind, die mit neuen Migranten um Wohnungen, Arbeitsplätze etc. konkurrieren müssen. Das würde ich jetzt nicht mit Neid beschreiben. Und der andere Faktor ist natürlich Respekt. Man hat gerade vielen Ostdeutschen nach der Wende das Gefühl gegeben, sie wären nur Störfaktoren, sollten am besten nirgendwo mitreden, und eigentlich wäre die DDR ja nur deswegen so wirtschaftlich am Boden, weil die Ossis alle faul und doof wären, zumindest die, die nicht abgehauen sind. Was ist natürlich passiert? Sie haben sich zunächst der PDS/Linken zugewandt, weil die ihnen gesagt haben: Ihr seid wer, eure Lebensleistung muss anerkannt werden, ihr habt auch Grund, stolz auf euch zu sein.
So, dann kriegt Merkel ein schlechtes Gewissen, weil ein Mädel geheult hat, und öffnet 2015 die Schleusen für Migranten. Und so kommt der nächste Schlag in die Fresse: Vertreter von Wirtschaft, Politik und Medien stellen sich hin und erzählen, dass all die Leute, die da kommen, größtenteils gar nicht oder vergleichsweise schlecht ausgebildet, sozialisiert in Diktaturen, ohne Sprachkenntnisse, dass die die Hoffnung für ein neues Wirtschaftswunder wären, die Rentenkasse sanieren würden und wertvoller als Gold wären. Dreimal darf man raten, wie sich so ein Ostdeutscher fühlt, der in der Wende entweder selbst seinen Arbeitsplatz verloren hat oder dessen Eltern sich komplett neu orientieren mussten, dem nach der Wende ständig beigebracht wurde, er wäre nicht so viel wert, dem größtenteils beschissene, schlecht bezahlte Jobs angeboten wurden, dessen Ausbildung oder Berufserfahrung oft nicht anerkannt wurde, und der eigentlich nur als Konsument gefragt war und ansonsten seine undankbare Fresse halten soll. Oh, und er soll bitte nur die Parteien wählen, die der Elite gerade genehm sind, sonst gibt's wieder Schlagzeilen, dass die Ossis zu doof für Demokratie sind. Natürlich wird der die wählen, die ihm nicht das Gefühl geben, er wäre weniger wert als die, die da neu ankommen. Da denke ich, Neid ist der falsche Begriff, weil im Endeffekt da eine absolut natürliche Sehnsucht nach Respekt steht - und natürlich der Wunsch, dass ihre Interessen der Regierungspartei wichtiger sind als die von irgendwelchen Flüchtlingen von Ganzweitwegistan.
Und das ist eigentlich eine Entwicklung, die der Osten da nur vorwegnimmt, weil's ja im Westen auch ganz viele (wenn auch prozentual noch weniger) gibt, die in einer ähnlichen Situation hängen und ebenfalls um die begrenzten Ressourcen konkurrieren müssen.