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Du hast ja schon seit einiger Zeit die Thematik von Vergütung im Netz und digitalisierter Waren aufgegriffen. Was hältst du von den hier vorgestellten Thesen?
Ich hatte überlegt, ob ich zu dieser Sache einen Blogeintrag verfasse, aber ich hatte dann keinen Bock, dass sich wieder welche darüber beschweren, dass ich einen Betteleintrag schreibe, um Geld mit meiner Seite zu verdienen. biggrin.gif

Der erste Punkt, über den man reden muss, ist die Sache mit der Knappheit. Es ist eine Binsenweisheit, dass rare Dinge den Menschen wertvoller erscheinen als andere, die im Überfluss vorhanden ist. Dafür muss man eigentlich kein Buch lesen. Man sollte allerdings nicht glauben, dass das die einzige Sache ist, die die Wertvorstellungen beeinflusst. Ein sehr starker Faktor ist ja zum Beispiel das Erscheinungsbild, welches den Wert sogar mehr beeinflussen kann als die tatsächliche Verfügbarkeit. Menschen sind eher bereit, 20 Euro für ein Hardcover-Buch zu zahlen als für ein Taschenbuch, selbst wenn es vom Hardcover 10000 Exemplare geben würde und nur 5000 vom Taschenbuch. Die Verfügbarkeit spielt für die Kunden im Buchladen kaum eine Rolle. Solange sie beide Ausgaben sehen und kaufen können, werden sie immer glauben, dass das Hardcover-Buch wertvoller ist. (Wenn sie nur eine Ausgabe sehen, ist die Verfügbarkeit für den Wert egal. Die andere können sie ja eh nicht kaufen.) Und natürlich steckt da mehr Material und Aufwand in der Verarbeitung drin. Das Problem dabei ist, dass die Leute diese rein materiellen Sachen überbewerten. Wenn man ihnen ein Terminal in die Buchhandlung stellte, an dem sie das gleiche Buch als Ebook herunterladen können, würden sie nur einen sehr viel niedrigeren Preis zahlen, der weit unter dem Taschenbuchpreis abzüglich Druck-, Papier- und Transportkosten liegt. Das Wertverständnis für die nichtmaterielle Arbeit muss in der digitalen Welt quasi neu aufgebaut werden, weil viele Menschen es schlicht nicht haben. (Und es wird natürlich nicht besser, wenn manche Leute ständig in das Horn blasen, dass es kein geistiges Eigentum gäbe.)

In dem Blogpost wird von den stark gesunkenen Grenzkosten geredet. (Grenzkosten sind die Kosten, die durch die Herstellung eines weiteren Produktes der Ware entstehen.) In diesen Diskussionen werden diese Grenzkosten ziemlich oft vorgeholt, weil diese Grenzkosten bei digitaler Vervielfältigung natürlich nahe Null liegen. Das ist allerdings irreführend, denn wie oben beschrieben, sind die Grenzkosten oft nicht der Löwenanteil des Preises, der im Laden verlangt wird. Nehmen wir zum Beispiel mal ein Buch. Ich hab das Glück, dass ich meine Texte selbst lektorieren und layouten/ins Ebook-Format übertragen kann und auch Leute kenne, die gegen Gefälligkeiten gratis ein Cover erstellen. Für die meisten Autoren ist das keine Option. Die haben oft Probleme mit der Rechtschreibung, keine Ahnung von Technik, keine Ahnung von Grafik. Also bezahlt der Verlag einen Lektor (und wenn der Verlag gut ist, noch einen Korrektor), einen Layouter (oder jemanden, der die Umwandlung ins Ebook-Format vornimmt), einen Grafiker und idealerweise wird noch ein wenig Aufwand für Werbung getätigt (Händlervorschau, Webseitenpreview etc.). Das erlaubt dem Autor, sich um das zu kümmern, was er kann, und hält ihm den Rücken frei. Das ist natürlich Geld, was der Verlag vorschießt und was mit der Auflagenzahl nichts zu tun hat. (Dass so ein Verlag noch Kosten hat, die mit dem Buch selbst nichts zu tun haben, aber durch die Buchverkäufe auch gedeckt werden müssen, lasse ich hier mal beiseite.) Ähnlich ist es bei Musikern. Da zahlen die Plattenfirmen nicht nur die reine Herstellung der CDs, sondern auch Studiokosten, Cover, Promo, evtl. Musikvideos und so weiter. Um es also kurz zu sagen: Verlage sind keine Druckereien. Plattenfirmen sind keine CD-Presswerke. Sie leisten mehr, und unter anderem deswegen wollen Kreative ja auch Verträge bei diesen Firmen haben. Ein weiterer Grund für diese Publisher: Sie öffnen Tür und Tor. Buchhandlungen (nicht Versandhändler) nehmen zum Beispiel keine Bücher auf, die im Selbstverlag, On Demand oder in einem Druckkostenzuschussverlag erschienen sind. Deswegen sieht man "Böses Hasi!" nicht bei Thalia im Regal. Für Buchhändler ist die Veröffentlichung über einen Verlag trotz aller Gurken, die auch bei denen rauskommen, ein Qualitätsmerkmal. Außerdem haben große Verlage natürlich ein gutes Netz von Vertretern, die in die Buchhandlungen gehen und die Händler überreden, Titel in die Regale zu stellen. Sie sind also gute Multiplikatoren. Der Autor hat nur mit dem Verlag zu tun, mit den Buchhändlern selbst muss er sich nicht herumschlagen.

Soweit zur analogen Welt. Und nun wird in dem Blogpost davon geredet, dass ja nun keiner mehr auf diese Verlage etc. angewiesen ist, weil ja jeder selbst einen Blog betreiben, MP3s irgendwo hochladen und Videos bei Youtube posten kann. Dass gewisse Arbeiten, die sonst die Verlage/Plattenfirmen etc. erledigen (lassen), dann von den Künstlern selbst erledigt/bezahlt werden müssen, lasse ich jetzt mal außen vor, aber man sollte natürlich im Hinterkopf behalten, ob jemand, der zwar gut schreibt, aber eine schlechte Rechtschreibung hat, wirklich mit einem Blog beeindrucken könnte. (Ganz zu schweigen davon, dass ein Blog natürlich Inhalte anders präsentiert als ein Buch und im Umkehrschluss nicht alles, worüber man ein Buch schreiben würde, als Blog sinnvoll ist.)
"Ich als Produzent kann in der Regel keine so effiziente Distribution sicherstellen, wie es andere, oft meine eigenen Leser, Nutzer, Fans, für mich erledigen können." Das ist in dieser Form Quark. Ich weiß nicht, warum immer noch Leute an das Märchen glauben, dass sich Qualität automatisch irgendwann durchsetzt. Es gibt jede Menge Leute, die brillant waren, aber arm gestorben sind, weil zu wenig Leute von ihnen wussten und diejenigen, die es taten, nicht die richtigen Bekannten hatten, um die Genies zu Ruhm und Reichtum zu führen. Und das Grundproblem hat sich bis heute nicht geändert. Es mag eingebildet klingen, aber ich denke, bei 37 Millionen Deutschen, die täglich online sind, träfe Klopfers Web sicherlich den Geschmack von mehr als den 6000-10000 Menschen, die jetzt täglich auf die Seite kommen. Die meisten Menschen wissen aber schlicht nichts von der Seite. Man braucht gerade dank der vielen Angebote im Netz gute Multiplikatoren, um ein Publikum zu erreichen. Klopfers Web wurde 2004 einigermaßen bekannt, weil es u.a. im Gamestar-Chat und auf einer Raubkopierseite beworben wurde. Erst letztens gab es einen ordentlichen Schub, weil das Bildblog auf Klopfers Web verlinkt hat. Das waren gute Multiplikatoren, ich habe von diesen Verlinkungen mehr profitiert als von einem Link eines kleinen Blogs mit 15 Besuchern am Tag. Und Klopfers Web und Asurocks sind für andere wiederum bessere Multiplikatoren als z.B. Platz 30 der Myblog.de-Charts. Alphablogs und Seiten wie SPIEGEL Online übernehmen dabei für die Internetnutzer die Funktion, die in der analogen Welt die Verlage für die Buchhändler haben. Man mag das verschleiern, indem man die Verlage als Gatekeeper bezeichnet, die Internetseiten jedoch als Filter, aber das ist für den kleinen Internetautor Jacke wie Hose, wenn er nicht durchkommt. Auf das Radar dieser Seiten zu gelangen, ist auch wieder eine Herausforderung für die Kreativen, die da im Netz herumwurschteln, und anders als bei den Verlagen, wo das von Buch zu Buch passiert, müssen sie sich hier wirklich ständig um Aufmerksamkeit bemühen, bevor sie eventuell irgendwann mal selbst zum Alphapool der Websites gehören und auch umgarnt werden. Es steckt wesentlich mehr Aufwand dahinter, als sein tolles Werk ins Netz zu stellen und zu hoffen, dass genug Leute es konsumieren und spenden, damit man davon leben kann.

Kommen wir zu den Bezahlsystemen und der These, die Marcel Weiss aufstellt. Es ist richtig, dass man bei Flattr und Kachingle nach dem Konsum bezahlt, anders als beim Kauf eines Buches. Dass er aber daraus schließt, dass man nicht für das Publizieren bezahlt, sondern für das zukünftige Produzieren, lehne ich ab. Das ist für mich als Kreativer nämlich nicht erstrebenswert. Wenn Leute zum Beispiel bei der Twilight-Lästerei etwas flattrn, dann sollen sie das tun, weil ihnen die Lästerei gefallen hat. Es hat dann sicher den Nebeneffekt, dass ich mir denke: "Hm, Lästereien kommen gut an, sollte ich weiterhin schreiben.", aber das sollte für das Flattrn selbst nicht der maßgebliche Gedanke sein. Ich will für das belohnt werden, was ich geleistet habe und was den Leuten gefallen hat. Ich will das Geld aber nicht als Darlehen oder Anzahlung für zukünftige Dinge ansehen müssen. Ich will nicht das Gefühl haben, ich müsse jetzt auf Teufel komm raus irgendwas produzieren, weil ich vorher Geld per Flattr bekommen habe. Ich musste spontan an Joscha Sauer von Nichtlustig denken. Er konnte zwischendurch für etwa ein Jahr aus privaten Gründen nicht an Nichtlustig weiterarbeiten. Nehmen wir an, es ginge heute einem Blogger, Zeichner o.ä. ähnlich, und er hätte per Flattr vorher einiges an Geld bekommen - sollte sich der Mensch schuldig fühlen, weil er das Geld quasi ohne Gegenleistung bekommen hat? Nein, natürlich nicht. Man zahlt im Restaurant nach dem Essen schließlich auch nicht, damit der Koch sich beim Zubereiten der Mahlzeit für die nächsten Gäste Mühe gibt; man zahlt für das, was man bereits verspeist hat.

Was die Bezahlschranken angeht, bei denen man vor dem Zugriff auf einen Artikel zahlen muss, so stimmt es sicher, dass es eine Übertragung der alten Geschäftsmodelle auf das Internet ist. Ich hab aber meine Probleme mit folgender Darstellung: Die Printpresse hat sich im Prinzip bisher über Werbung finanziert, die Zeitungskäufer mussten lediglich für Druck und Verbreitung zahlen. Nun sind die Kosten für Druck und Verbreitung im Internet nahe Null, und deswegen ist die Bezahlschranke doof. Ich weiß nicht, ob Marcel Weiss es mitbekommen hat, aber die Werbeeinnahmen sind nicht mehr so gut wie früher, die Kosten für Journalisten etc. müssen also auch durch andere Quellen gedeckt werden, und grundsätzlich können die Internetseiten von Zeitungsverlagen nicht dauernd an der Titte der Printwerbung hängen, sondern müssen sich auch selbst irgendwo finanzieren können. Eine Bezahlschranke mag da nicht ideal sein, aber dort immer gleich grundsätzlich zu sagen, wie mies die Idee ist, erscheint mir zu überheblich. Der Hinweis auf den angeblich wichtigsten Distributionskanal (die Leser, die weiter verlinken), ist für diese Zeitungsarchive vermutlich sowieso nicht so wirklich relevant, weil sie mit zwei zahlenden Lesern vermutlich mehr verdienen als mit 1000 Lesern, die gar nichts zahlen und durch einen Link auf die Seite gekommen sind. So hoch sind die Einnahmen mit Internetwerbung ja auch nicht für reine Einblendungen, nicht mal für einen renommierten Zeitungsverlag.

Schließlich muss natürlich auch das Filesharing abgehandelt werden. Die Jugendlichen dürfen sich über eine Absolution freuen - sie sind nicht moralisch total verwurmt, nein, Filesharing ist natürliches Verhalten, und schließlich würde es sonst auch mehr Ladendiebstähle geben. Das ist natürlich eine ziemlich dusslige Schlussfolgerung. Ich glaube zwar auch nicht, dass die Jugendlichen heute moralisch verfallener wären als frühere Generationen, aber es dürfte so ziemlich jedem einleuchten, dass es weitaus leichter fällt, etwas vermeintlich anonym daheim per Mausklick zu machen, als jemandem von Angesicht zu Angesicht etwas wegzunehmen. Wäre mal ein nettes Experiment: 100 Leute kriegen die Chance, auf einer Internetseite per Mausklick einem Opfer einen Euro abzunehmen, ohne direkte Konsequenzen fürchten zu müssen, und dann kriegen die 100 Leute die Chance, einem Obdachlosen auf der Straße einen Euro aus dem Hut zu nehmen, ebenfalls ohne Konsequenzen. Würde mich überraschen, wenn nicht wesentlich weniger Menschen den Obdachlosen beklauen, dem sie gegenüber stehen.
Auf jeden Fall ist es angeblich ein natürliches Verhalten. Das ist Kacken auch. Das ändert aber nichts daran, dass man es nicht gut finden muss, gerade wenn man viel Arbeit in etwas reingesteckt hat und nun ansehen muss, dass es einfach frei verteilt wird und sich dann eventuell diejenigen, die es gekauft haben, auch noch von den anderen anhören müssen, wie blöd sie sind. (Nein, das nicht hypothetisch. Allein wie oft mir schon Dummheit von den moralisch nicht verfallenen Jugendlichen attestiert wurde, weil ich für CDs und Anime-DVDs Geld ausgegeben hab, statt die Sachen herunterzuladen...) Natürlich, die meisten der Filesharer hätten sich die Sache nie gekauft. Soweit ich gelesen hab, würden höchstens 10% der Raubkopierer für Sachen zahlen, wenn sie sie nicht anders bekommen könnten. Ich würde den Anteil noch geringer schätzen. Damit muss man dann halt leben (oder sterben, wie im Fall der meisten deutschen Animelabels). Aber wenn man damit schon leben muss, wäre es schon schön, wenn einem von irgendwelchen Bloggern, die angeblich die digitale Welt total gecheckt haben, nicht ständig der Versuch madig gemacht werden würde, mit einem festen Preis etwas Geld mit seiner Arbeit zu verdienen.

Das hätte ich wohl geschrieben, wenn ich dazu einen Blogeintrag verfasst hätte. Aber so muss das wohl ungesagt bleiben. ^^