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Hollywood im Minus

Vor kurzem verstarb der britische Bodybuilder und Schauspieler David Prowse an Covid-19. Berühmt wurde er als Darsteller eines traumatisierten Vaters, der trotz schwerer Behinderung versucht, seine Kinder nach dem Tod seiner Frau ins Familienunternehmen einzubinden, aber von ihnen verachtet wird. Vermutlich deswegen, weil er schwarz ist.

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"Und einen BH trägst du auch nicht, Töchterchen! Was sollen die Nachbarn von uns denken?!"

Trotz seiner zweifellos wichtigen Beteiligung an der Filmreihe konnte er daraus nie den ganz großen Profit schlagen (nicht nur deswegen, weil George Lucas ihn offenbar nicht leiden konnte und ihm schließlich sogar verbot, bei Star-Wars-Conventions aufzutreten). Für „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ hatte Prowse eine Gewinnbeteiligung ausgehandelt. Dummerweise sind alle Star-Wars-Filme Flops – zumindest laut der Buchhaltung von Lucasfilm. Unser Thema heute ist „Hollywood Accounting“.

Vorher blicken wir aber zurück in die Geschichte. Etwa zwischen den 20er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts war die „Goldene Ära Hollywoods“. Amerikas Filmbusiness wurde dominiert von den Big Five, den größten Hollywoodstudios: Paramount Pictures, Metro-Goldwyn-Mayer, Warner Bros., 20th Century Fox und RKO Pictures. Zusätzlich gab es die Little Three: Universal Pictures, Columbia Pictures und United Artists.

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Das Hollywood-Schild ist leider markenrechtlich geschützt, also muss ich es so zeigen, als wäre es eine Mumu in einem japanischen Pornofilm. :wackel:

Ihr Einfluss war sehr direkt: Die Studios machten nicht nur die Filme, ihnen gehörten auch die Fotolabore, in denen die Filmstreifen entwickelt und kopiert wurden, und eine beträchtliche Anzahl der Kinos. Das bedeutete, dass viele Kinos nur die Filme ihres jeweiligen Besitzers zeigten. Fast die Hälfte der Filmumsätze in dieser Zeit entfiel auf Kinos, die direkt den Studios gehörten. Der Großteil der Kinos in den USA war zwar immer noch unabhängig, doch viele Freiheiten hatten diese unabhängigen Kinos nicht: Die Studios verkauften ihre Filme an diese Kinos im Block. Das heißt, die Kinos konnten nicht auswählen, welche Filme sie von einem Studio kauften, sie mussten ungesehen ganze Pakete an Filmen einkaufen. Diese Pakete konnten einen Umfang von etwa 10 bis 50 Filmen haben, aber in Einzelfällen auch über 100 Filme beinhalten. Oft wurde auch festgelegt, wie viele Filme daraus pro Woche gezeigt werden sollten. Somit konnten die Studios sicher sein, dass selbst die billigeren Filme abgenommen werden, egal welche Qualität sie hatten.

In dieser Zeit waren die Regisseure, Drehbuchautoren und auch die Schauspieler fest bei den Studios angestellt. Sie wurden entsprechend ihrer Verträge, die über mehrere Jahre liefen, mit einem festen Gehalt bezahlt, mussten dann aber auch in den Filmen auftreten, die die Studios ihnen zuwiesen. Und natürlich durfte ein Schauspieler, der zum Beispiel bei MGM unter Vertrag war, keinen Film für RKO drehen, es sei denn, MGM lieh ihn aus (was eigentlich nur dann üblich war, wenn man für den Schauspieler selbst keine Verwendung mehr hatte, weil er die Erwartungen des Studios enttäuschte).

Das Block-System, mit dem die Studios ihre Filme in die Kinos brachten, war den Kartellbehörden der USA ein Dorn im Auge. 1938 leitete das Justizministerium ein Antitrust-Verfahren gegen die großen acht Studios ein. Um die Justiz zu besänftigen, verpflichteten sich die Studios „freiwillig“, ihre Filme nur noch in Fünferblöcken zu verkaufen. Als diese Verpflichtung formell auslief, gab Warner Bros. das Block-System ganz auf, während MGM dann Filme in Zwölferblöcken verkaufte. Die anderen blieben bei den Fünferblöcken. Dennoch gab es 1948 schließlich ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA gegen Paramount Pictures, in dem das Block-System für illegal erklärt wurde. Zudem zwang das Urteil die Studios, sich von ihren Kinos zu trennen.

Für die Studios war das ein schwerer Schlag. Bislang sichere Einnahmen brachen weg, außerdem kam inzwischen allmählich das Fernsehen auf und machte den Kinofilmen weitere Konkurrenz. Die Zahl der Kinobesucher sank. Um ihre Fixkosten zu senken, beendeten die Hollywood-Studios das bisherige Vertragssystem: Regisseure, Schauspieler und Autoren wurden Freiberufler, auch die sonstige Filmcrew (Kameramänner, Beleuchter, Elektriker usw.) wird bis heute meistens nur für das jeweilige Projekt unter Vertrag genommen.

Da die Schauspieler (und Regisseure) nicht mehr fest angestellt waren, konnten sie nun beginnen, für jeden Film mit den Studios um die angemessene Gage zu feilschen. Große Stars wie Cary Grant, Rock Hudson oder Doris Day hatten da natürlich mehr Spielraum als kleinere Akteure, denn sie waren es auch, deren Filme den Studios die größten Einnahmen brachten. Und so wundert es wohl niemanden, dass einige Schauspieler auf die Idee kamen, statt einer festen Gage eine prozentuale Beteiligung an den Gewinnen des Films auszuhandeln.

Die Kreativität in Hollywood mag in vielen Bereichen eher mangelhaft erscheinen, aber wenn es darum geht, kein Geld an diejenigen abzugeben, die das Geld erst reinbringen, ist sie nahezu grenzenlos. Und so gehen bis heute Hollywoodstudios gerne darauf ein, wenn ein Schauspieler, ein Regisseur oder aber auch ein Autor einer Buchvorlage verlangt, an den Gewinnen des Films beteiligt zu werden.

Der Knackpunkt ist das Wort „Gewinne“. Im Vertrag steht dann oft etwas von Prozentpunkten vom Netto – also „net points“. Eddie Murphy meinte mal: „Net points are monkey points.“ Denn das Netto sind natürlich nicht die Einnahmen des Studios insgesamt, sondern nur das, was übrigbleibt, nachdem alle Kosten abgezogen wurden. Und es gibt allerlei Möglichkeiten, die Kosten so weit hochzujubeln, dass am Ende gar kein Gewinn mehr übrigbleibt.

Oft funktioniert es ungefähr so: Eine Schwesterfirma des Studios wird mit dem Vertrieb des fertigen Films beauftragt. Wenn der Film 100 Millionen Dollar gekostet hat und 350 Millionen Dollar einspielte, schreibt die Vertriebsfirma dem Studio eine Rechnung, in der eine Vertriebsgebühr über 251 Millionen Dollar aufgeführt ist. Für das Studio bleibt also am Ende ein Minus von 1 Million Dollar. So ein Pech aber auch. Kein Gewinn für das Studio, also kein Geld für den Schauspieler, der eine Gewinnbeteiligung ausgehandelt hat. Für die Mutterfirma von Studio und Vertriebsfirma bleibt natürlich trotzdem ein sattes Plus, weil das Geld von einer Tasche in die andere wandert.

Eine andere beliebte Form von „Hollywood Accounting“ besteht darin, dass die Kosten von zwei Projekten (einem erfolgreichen und einem erfolglosen) so zusammengerechnet werden, dass am Ende zwei unprofitable Projekte herauskommen. Ebenso wird gern das Budget des Films als Kredit einer Schwesterfirma des Studios ausgegeben – und leider sind die Kreditzinsen dann aber so hoch, dass am Ende kein Gewinn herauskommt.

In einem großen Teil der Welt ist so etwas Betrug. Vermutlich wäre das auch in den USA Betrug. Wenn die Hollywoodstudios allerdings mal verklagt werden, schließen sie aber lieber einen Vergleich, um das Verfahren schnell zu beenden, ohne dass ein Richter die Buchhaltungspraktiken der Studios mal näher anschauen und tatsächlich in einem Urteil für illegal erklären kann.

Die kreative Buchhaltung in Hollywood sorgt dafür, dass sich viele unheimlich beliebte Werke auf dem Papier als Flops entpuppen.

Die Star-Wars-Filme? Haben nie einen Gewinn verbucht. Harry Potter? Allein „Harry Potter und der Orden des Phönix“ hat weltweit ungefähr 1 Milliarde Dollar eingespielt, aber laut Warner Bros. 167 Millionen Dollar Verlust gemacht. Die gesamte Filmserie steckt tief in den roten Zahlen. Die „Herr der Ringe“-Reihe? Laut der Buchhaltung von New Line Cinema haben die Filme ein gigantisches Minus eingefahren – trotz Einnahmen von über 6 Milliarden Dollar.

Wusstet ihr, dass „Forrest Gump“ auf einem Buch basiert? Der Autor Winston Groom hatte für die Filmrechte (neben einer festen Summe) auch drei Prozent Gewinnbeteiligung vereinbart. Dummerweise hat der Film mit Tom Hanks bei einem Budget von 55 Millionen Dollar und einem Einspielergebnis von 678 Millionen Dollar offiziell Verlust gemacht. Das war ein Grund, wieso Groom sich lange weigerte, die Filmrechte für den Nachfolgeroman zu verkaufen. Augenzwinkernd meinte er: „Ich kann nicht guten Gewissens erlauben, dass Geld für einen weiteren Fehlschlag vergeudet wird.“

Sigourney Weaver hätte fast nicht in „Ghostbusters II“ mitgespielt – weil das Studio ihr erklärte, dass es beim ersten „Ghostbusters“-Film Verlust gemacht hätte und somit leider keine Gewinnbeteiligung möglich wäre. Erst in der Vorbereitung zum zweiten Teil zahlte man ihr einen Haufen Geld, damit sie aufhört, in den Kassenbüchern des Studios nachstöbern zu wollen.

Die vier Macher der Kultkomödie „This is Spinal Tap“ haben in 29 Jahren ganze 179 Dollar an Tantiemen bekommen. Zusammen, nicht jeder von ihnen. Kein Wunder, dass Co-Autor und Hauptdarsteller Harry Shearer seine Brötchen damit verdienen muss, bei den „Simpsons“ mehreren Charakteren (wie Mr. Burns oder Direktor Skinner) seine Stimme zu leihen.

Im Fernsehen sieht’s auch nicht besser aus. „Babylon 5“ wird zwar nicht mehr produziert, läuft aber weltweit weiterhin im Fernsehen, es gab DVD-Sets, Bücher und Merchandise. J. Michael Straczynski sieht von diesen Einnahmen keinen Penny, denn laut Studio ist die Serie immer noch mit 80 Millionen Dollar in den Miesen. Don Johnson musste die Produktionsfirma seiner Serie „Nash Bridges“ verklagen, weil die behauptete, die Serie hätte keinen Gewinn gemacht und daher stünden ihm keine Tantiemen zu. Gleiches machten die Produzenten und Darsteller der Serie „Bones“ durch.

Die Liste ließe sich endlos weiterführen. „Der Prinz aus Zamunda“, „Batman“, „Men in Black“, „Demolition Man“, „My Big Fat Greek Wedding“, „Spider-Man“, „Rocky Horror Picture Show”, die US-Ausgabe von “Wer wird Millionär?” – all diese Titel sind Beispiele für „Hollywood Accounting“, bei denen der Gewinn weggerechnet wurde, um keine Tantiemen zahlen zu müssen.

Eine andere Erklärung wäre natürlich, dass die Filme wirklich alle Verlust machen und die Studios seit über 100 Jahren nur aus Liebe zur Kunst Filme drehen, komplett ohne kommerzielles Interesse. Es ist wahrscheinlicher, dass Angela Merkel nach dem Ende ihrer politischen Karriere einen OnlyFans-Kanal aufmacht und erotische Fotos von sich verkauft, aber ich wollte die Möglichkeit wenigstens erwähnt haben.

Das Problem der falschen Verluste schwappt auch auf andere Bereiche über, etwa beim Merchandise. Lynda Carter, die in den 70er Jahren Wonder Woman in der Fernsehserie darstellte, bekam keinen Cent von den Einnahmen aus dem Spielzeug mit ihrem Gesicht. Auch die Darsteller aus „Raumschiff Enterprise“ wurden nicht bezahlt, wenn das Studio ihre Gesichter für Spielzeug, Modelle oder Werbung freigab (was ein Grund war, wieso Leonard Nimoy sich so lange zierte, im ersten Kinofilm wieder als Spock aufzutreten). Die Darsteller aus den „Herr der Ringe“-Filmen mussten erst vor Gericht ziehen, bis das Studio sie endlich wie vereinbart an den Einnahmen aus dem Merchandise beteiligte.

Ist die Lösung also, auf Anteile vom Brutto zu bestehen? Leider haben nur wenige Schauspieler und Regisseure tatsächlich die Macht, das durchzusetzen. Für Leonardo DiCaprio funktioniert das, für Tom Cruise ebenfalls. Aber selbst dann können die Studios versuchen, einen übers Ohr zu hauen. Die Merchandise-Klage der Darsteller von „Herr der Ringe“? Bei denen ging es tatsächlich ums Brutto. Übrigens hatten auch die Erben von Tolkien einen Anteil vom Brutto für die Filmlizenzen vereinbart – und mussten trotzdem vor Gericht, so wie Regisseur Peter Jackson, dem ebenfalls vertraglich Anteile der Brutto-Einnahmen zugesichert waren. (In dem Jackson-Fall hatte New Line, eine Warner-Tochter, die DVD-Rechte wohl extrem billig an eine andere Warner-Tochter „verkauft“, um das Brutto zu verkleinern, damit der Warner-Konzern nicht so viel an Jackson abgeben muss, aber selbst dabei nichts einbüßt.)

Die Film- und Fernsehindustrie ist natürlich nicht allein in ihren Bemühungen, sich Zahlungen an Medienschaffende zu entziehen, zu denen sie sich vertraglich verpflichtet haben. Man denke hier nur an den altbekannten Trick von Plattenfirmen, die ihren Musikern vertraglich gewisse Summen oder Anteile aus den Verkäufen ihrer Musik zusichern – aber gleichzeitig in die Verträge schreiben, dass von genau diesen Tantiemen sämtliche Kosten für Aufnahmestudios und Promotion abgezogen werden, was im Endeffekt dazu führt, dass viele Musiker an den Verkäufen ihrer Lieder im Handel rein gar nichts verdienen und von dem leben müssen, was ihre Konzerte einbringen.

Wenn also Filmstudios und Plattenfirmen über die Schlechtigkeit der Unternehmen jammern, die heutzutage dank des Internets immer größer werden und nachhaltig verändern, wie Kreative Inhalte schaffen und wie Nutzer die Medien konsumieren, dann müssen sie damit wohl recht haben. Denn wer könnte einen Ganoven wohl besser erkennen als ein anderer Ganove?

(Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, wie die Filmfirmen heutzutage die Kinos quälen, wenn sie ihnen keine Blockdeals mehr aufdrängen können. Wenn ein Kino einen großen, heiß erwarteten Film zeigen will, kann es durchaus passieren, dass der Vertrieb den Film nur unter der Bedingung für das Kino freigibt, dass es sämtliche Ticketeinnahmen der ersten oder der ersten zwei Wochen an den Vertrieb weitergibt. Die einzigen Einnahmen für das Kino entstehen also dabei nur über die Verkäufe von Getränken und Snacks.)

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