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Klimaheuchler

Anhänger diverser Religionen haben viel Erfahrung darin, sich selbst zu betrügen, indem sie ihre Gebete als tatsächliche Anstrengung begreifen, anstatt sie als eine Form des Nichtstuns zu sehen, bei der man sich vormacht, man könne damit etwas bewirken. Das ist zwar sehr merkwürdig, aber immerhin kann man durch bloße Gebete auch keinen Schaden anrichten.
Daneben gibt es aber auch Leute, die angeblich hehre Ziele verfolgen, aber dabei ohne mit der Wimper zu zucken genau das Gegenteil tun. Dass ihre Anhänger diese Widersprüche auch noch ohne Gewissensprobleme zu rechtfertigen versuchen, kotzt mich dabei wohl am meisten an. Ein wunderbares Beispiel dafür gab es Anfang Juli mit den weltweiten Live-Earth-Konzerten, die auf den Klimawandel aufmerksam machen sollten, um den Umweltschutz in die Köpfe der Menschen zu bekommen. Al Gore verpflichtete dafür viele Künstler, ja sogar Weltstars, die sich alle wundervoll grün und umweltfreundlich gaben.

Darunter war zum Beispiel auch Madonna. Dass der Frau die Umwelt wirklich am Herzen liegt, merkt man schon an ihrem Lebensstil. Sie hat fünf Autos in der Garage, von denen nur eines einen Durchschnittsverbrauch unter 10 Litern Sprit pro 100 Kilometern hat. Sie fliegt fast ausschließlich in Privatjets. Sie bläst pro Jahr hundert Mal mehr Kohlendioxid in die Luft als der Durchschnittsbrite. Eine ideale Sängerin für ein Umweltkonzert. Und dabei befindet sie sich in guter Gesellschaft: Die meisten internationalen Künstler reisten mit Privatflugzeugen zu den Konzerten und zurück nach Hause, anstatt sich wie der Pöbel mit Linienflugzeugen abzugeben. Auch die Fahrt von den Hotels zu den Veranstaltungsorten fand nicht etwa mit den kleinen Smarts statt, die man so öffentlichkeitswirksam für den Transport auf dem Konzertgelände stellte, sondern mit den luxuriösen S-Klassen des gleichen Herstellers. Wenn diese Stars als Umweltfreunde gefeiert werden, so erwarte ich einen Friedensnobelpreis dafür, dass ich in der letzten Woche nicht in Polen einmarschiert bin. Die Konzertgelände selbst waren übrigens nach den Veranstaltungen wie üblich mit Plastikbechern und sonstigem Abfall vollgemüllt. An einigen Orten reichten die Kapazitäten bei weitem nicht aus, um den Müll zu recyceln, beim Konzert in der Nähe von New York verhinderten Gewerkschaften die Wiederverwertung des Abfalls.

Trotz den vielen Reisen und dem Aufwand für die Konzerte selbst versprach Al Gore, die Konzerte wären kohlendioxidneutral. Das heißt nicht etwa, dass für Live Earth keine 30000 Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre geblasen wurden, sondern dass die Veranstalter sich von ihrer Schuld freikaufen, indem sie Umweltprojekte finanziell unterstützen. So einfach geht das, wenn man reich ist. Man erzählt den normalen Bürgern, sie sollen Energiesparlampen benutzen, Müll vermeiden, kurze Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Man selbst lebt einfach wie zuvor und lässt stattdessen ein paar Bäume an Orten in der Dritten Welt pflanzen, die weit weg vom erzeugten Kohlendioxid sind und höchste Dankbarkeit für ein paar Dollars aus den Industrieländern zeigen, die ihre Verantwortung auf andere abwälzen. Das Geld dafür lässt sich übrigens von der Steuer absetzen.

Viele Umweltgruppen reagierten allerdings schwer beleidigt auf den Vorwurf, die Veranstalter von Live Earth würden Wasser predigen und Wein saufen. Die Zahlen und Fakten selbst konnten sie dabei kaum angreifen, daher verwiesen sie auf den Zweck des ganzen Theaters: die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Gefahren des Klimawandels zu lenken. Mal ganz davon abgesehen, dass sich der Informationsgehalt bezüglich des Klimas in Liedern von Shakira, Genesis oder James Blunt wohl gegen Null bewegt, so offenbart diese Begründung eine extrem naive Einschätzung: Die Menschen tun zu wenig gegen den Klimawandel, weil sie nichts darüber wissen. Die Konzerte fanden in Australien, Brasilien, China, Deutschland, Großbritannien, Japan, Südafrika und den USA statt – mir kann keiner erzählen, dass die Leute dort noch nie etwas über den Klimawandel gehört haben und erst durch irgendwelche Konzerte davon erfahren konnten. (Ich weiß, dass es auch ein Konzert in der Antarktis gab, aber dort spielte sowieso nur die Hobbyband der anwesenden Wissenschaftler für die restlichen anwesenden Wissenschaftler, die vermutlich alle schon etwas vom Klimawandel wussten, als Al Gore noch dabei war, das Internet zu erfinden.) Die Wahrheit ist natürlich, dass die Menschen zu bequem sind, um ihre Gewohnheiten zu ändern, selbst wenn sie es besser wissen. Daran wird kein Konzert etwas ändern, und wenn Live Earth den Leuten eines gezeigt hat, dann dass es immer irgendwelche Stiftungen und Firmen geben wird, die für ein paar Silberlinge nur zu gern bereit sind, die Umweltfreundlichkeit für einen zu übernehmen und Bäume zu pflanzen, während man selbst eine Umweltsau bleiben kann.

Ob Live Earth, Live Eight oder Live Aid, im Wesentlichen dienen solche Gutmenschenkonzerte nur dazu, die Gewissen der Besucher zu beruhigen, die wegen der Musik gekommen sind und sich beim Abtanzen nebenbei einreden können, sich aufrichtig mit den Problemen der Welt zu beschäftigen. Finanziell kommt bei solchen Veranstaltungen kaum etwas heraus, weswegen die Initiatoren immer häufiger behaupten, es ginge darum, ein Zeichen für die Politik zu setzen. In Wirklichkeit dauert es keine Woche, bis die Konzerte und das Aufsehen eine blasse Erinnerung sind, und zwei Wochen später hat kein Politiker mehr zu befürchten, bei einer Wahl abgestraft zu werfen, weil er sich einen Scheißdreck darum kümmert, was Geldof, Bono und sonstige (oft sehr naive und weltfremde) Musiker auf der Bühne forderten. Die Menschen vergessen schnell. Und so kommt bei diesen Konzerten zumeist nur heiße Luft heraus – was ja angesichts der Globalen Erwärmung dann doch auf eine ironische Art und Weise überaus passend ist.

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