Klopfers Web » Texte » Kolumnen » Beleidigte Leberwurst

Beleidigte Leberwurst

Arschloch. Widerliche Pottsau. Kackstulle. Stinkende Büffelfotze.

Es tut mir leid, falls ich jemanden mit diesen Worten beleidigt habe. Also nicht allgemein, sondern nur jetzt, hier, mit dieser ersten Zeile des Textes. Ansonsten beleidige ich sehr gerne. Es gibt wenig, was ebenso erleichternd wie auch vernünftig wie eine Beleidigung ist, um jemandem die eigene Abneigung in vollem Ausmaß angemessen entgegen zu schleudern. Man könnte der anderen Person natürlich kräftig aufs Maul hauen, aber das wäre einerseits ganz schön brutal und andererseits könnte sie zurückschlagen.

So wundervoll Beleidigungen auch sind, so fies sind die Bemühungen, die hohe Kunst der Beleidigung zu ächten und die Virtuosen des angreifenden Wortes zu unterdrücken. Im Strafgesetzbuch gibt’s einen ganzen Abschnitt „Beleidigung“, der eine Reihe von Paragraphen umfasst, die im Wesentlichen darauf ausgerichtet sind, Schmähungen unter Strafe zu stellen. Nun finde ich es persönlich noch alberner, jemanden wegen einer Beleidigung vor den Kadi zu zerren, als ihn zu verprügeln.* Jeder sollte bereits im Kindergarten lernen, dass die beste Reaktion auf „Kotlutscher“ oder „Tumorfratze“ ein lässiges „Selber, du Doofmann!“ ist, schon um dem Gegenüber nicht zu zeigen, dass er mit seiner Äußerung einen Nerv getroffen hat. Diejenigen, die das im zarten Kindesalter nicht gelernt haben, sind genau die Evolutionsbremsen, die dann als Erwachsene auf Beleidigungen nur mit Ge- oder schlimmer noch mit Anwalt reagieren.

Das Blöde für alle, die gegen sämtliche Beleidigungen mit aller Härte des Gesetzes angehen wollen: Beleidigungen werden nur dann verfolgt, wenn der Beleidigte auch Anzeige erstattet. Da aber das Internet die Ausgeburt der Hölle ist und dort anscheinend hemmungslos beleidigt werden kann, ist es natürlich inakzeptabel, dass der Staat sich tatsächlich auf die faule Haut legen soll, um darauf zu warten, dass so ein träges Bürgervieh sich endlich mal so beleidigt fühlt, um die Macht des Justizapparates zu beschwören. Also interpretieren diverse Mitglieder unserer politischen Kaste Beleidigungen gerne als Verletzungen der Menschenwürde.

Okay, um das mal klar zu stellen: Wer eine reine Beleidigung für einen Angriff auf die Menschenwürde hält, der ist ne dumme Sau. Wenn ich jemanden als Dummfickkuh bezeichne, dann ist die Menschenwürde der besagten Dummfickkuh nachher in der gleichen Verfassung wie vorher. Um die Menschenwürde zu verletzen, reicht ne Beleidigung allein nicht aus. Eine Beleidigung für sich ist nicht demütigend. Würde ich die Dummfickkuh festhalten, sodass sie gezwungen wäre, sich die Beleidigung tatenlos anzuhören, sie anderweitig daran hindern, in gleicher Weise auf meine Beleidigung zu reagieren, oder sie ständig mit der Beleidigung konfrontierte, dann wäre es ein Angriff auf ihre Menschenwürde, weil das demütigend wäre. Das wäre es allerdings auch, wenn ich die Kuh nicht beleidigen, sondern sie zwingen würde, ein Cindy-aus-Marzahn-T-Shirt anzuziehen. Die Menschenwürde wird nicht mit Worten, sondern mit Zwängen verletzt.

Eigentlich geht es aber auch gar nicht um die Menschenwürde. Beleidigungen können den persönlichen Stolz verletzen, und nur darum geht es. Zwischen einem Typen, der von der Bezeichnung „Frackfurzer“ seine Würde angegriffen sieht, und einem jungen Türken, dessen Familienehre angeblich verletzt wurde, weil jemand seine Schwester ein bisschen spitz angeguckt hat, gibt es keinen Unterschied. „Sie werden von meinem Anwalt hören, und dann können Sie was erleben!“ oder „Ey, isch hol meine Brüda und dann mach isch disch Messa, weißu!“ – andere Wortwahl, bemerkenswert ähnlicher Inhalt.

Meiner Meinung nach sind Stolz und Ehre allerdings wie Selbstbefriedigung und Stuhlgang. Man muss selbst damit klarkommen, ohne dass man Gerichte, Anwälte, Brüder oder Hieb- und Stichwaffen zu Hilfe ruft.** Im besten Fall kann man einfach entscheiden, dass das Gegenüber nur niederes Gewürm ist und gar nicht die Relevanz hat, um das Selbstwertgefühl merklich anzukratzen. Ansonsten kann man einfach zurück beleidigen, dafür gibt’s sogar einen entsprechenden Paragraphen im Strafgesetzbuch. Und wenn das nicht hilft, bleiben von einem Tanzduell bis zu einer zünftigen Prügelei immer noch genügend Alternativen. Flennend zum Anwalt (oder seiner Familie) zu rennen und um Rache zu betteln, ist dagegen einfach nur peinlich und würdelos. Und da hätten wir doch noch einen Angriff auf die Menschenwürde gefunden – allerdings einen, der nicht verboten ist.

* Damit meine ich übrigens tatsächlich Beleidigungen, keine Unterstellungen, die kriminelle Handlungen betreffen. Jemanden als Kinderficker zu bezeichnen, ist also nicht in Ordnung.
** Ja, okay, es gibt sicher einige, die auch Messer zur Selbstbefriedigung benutzen. Das sind aber ganz schön perverse Wichser.

3
Dir hat's gefallen? Dann erzähl deinen Freunden davon!

Mehr zu lesen:

Thumbnail

Der Ernst des Lebens

Text veröffentlicht im Mai 2006
"Das Leben ist ernst!", wird einem spätestens mit der Einschulung immer vorgebetet. "Das Leben ist ernst!", heißt es, wenn... [mehr]
Thumbnail

Vorurteile

Text veröffentlicht im März 2008
Vorurteile sind schlecht, bringt man inzwischen jedem Kind bei. Vorurteile sind unfair, Vorurteile sind ungerecht. Mag ja sein. Ich... [mehr]
Thumbnail

Planet der Pimmel?

Text veröffentlicht im August 2008 – Nur für Premiummitglieder
Klopfers Gedanken zu den vielfältigen Pimmeltieren im EA-Spiel Spore. [mehr]
Premium
Thumbnail

Wie kann man Klopfers Web unterstützen?

Text veröffentlicht im November 2017
Klopfer erzählt, wie man helfen kann, Klopfers Web zu erhalten und besser zu machen - sowohl ohne als auch mit Geldeinsatz. [mehr]

Nach oben