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Es geht nicht

Kürzlich brachte ich wieder einmal einen großen Stapel Büchersendungen zur Post. Man muss schließlich ausnutzen, dass es noch echte Postfilialen gibt und nicht nur Zeitungsläden, in denen eine Verkäuferin auf einem dreitägigen Lehrgang dazu ausgebildet wurde, Briefmarken zu verkaufen, Pakete entgegenzunehmen und sie irgendwann einem DHL-Fahrer wieder in die Hand zu drücken. Wenn ich bei denen mit 20 Büchersendungen auftauche, gucken die bei jedem Päckchen das Porto einzeln nach und versuchen dann, die 85 Cent oder 1,40 Euro in Standardbriefmarken raufzukleben. Das dauert dann natürlich eine halbe Stunde, und am Ende werde ich von den wütenden Kunden niedergeknüppelt, die das Pech hatten, hinter mir zu stehen.

Jedenfalls: Diesmal wartete ich in der Schlange. Der Herr direkt vor mir hatte irgendein Problem mit seiner neuen Bankkarte, aber die freundliche Schalterdame konnte ihm nur schwer helfen, da der Typ weder wusste, was in dem Begleitschreiben zu seiner neuen Karte stand, noch irgendwie eine Ahnung hatte, ob er sie nun einfach so bekommen oder ob er sie als Ersatz für eine verlorene oder defekte Karte beantragt hatte. Selbst seine Problembeschreibung beinhaltete mit „Es geht irgendwie nicht“ nicht wesentlich mehr Informationen als eine morgendliche Flatulenz. Ich bin ein geduldiger Mensch, aber ich wollte den Herrn ganz übel vertrimmen. Nicht, weil ich seinetwegen länger warten musste, sondern weil er so erschreckend dumm war und der Satz „Es geht irgendwie nicht“ in mir sowieso Krätze auslöst, wenn er so erwartungsvoll betont wird.

„Es geht irgendwie nicht“ sollte als Einleitung verstanden werden. Der Satz gibt den Umfang des Problems grob wieder und erlaubt dem Zuhörer, sich mental darauf einzustellen, die Details des Versagens zu analysieren und so den Fehler diagnostizieren zu können. Das ist jedenfalls mein Verständnis. Für andere scheint „Es geht nicht“ allerdings Einleitung, Hauptteil und Schluss in einem zu sein. Ich hasse das, denn es zwingt mich (und andere Leidensgenossen), meinem Gegenüber jede Information einzeln aus der Nase zu ziehen. An erster Stelle: WAS geht nicht? Das ist eigentlich die elementarste Auskunft überhaupt, und trotzdem kriegt etwa ein Drittel der Leute, die mit irgendwelchen technischen Problemen zu mir kommen, es nicht gebacken, mir das ohne Nachfrage mitzuteilen. Üblicherweise sollte ein Mensch noch im Kindesalter lernen, dass das eigene Wissen und das des Gesprächspartners nicht deckungsgleich sind. Scheint bei diesen Leuten nicht wirklich stattgefunden zu haben.

Und dann muss man unweigerlich die zweite Frage stellen: „Was haste denn gemacht?“ Darauf lautet die Antwort natürlich immer: „Ich hab gar nichts gemacht!“ Damit wäre das Problem ja eigentlich gelöst, denn wenn jemand nichts macht, kann er schließlich nicht erwarten, dass etwas passiert. Aber klar, ist meistens eine Ausrede. Also muss man fragen, was die Person gemacht hat, als der Fehler aufgetreten ist. Wenn man Glück hat, bekommt man eine Antwort, die nicht in etwa „Ich hab mit dem Dingens das Dingsda gedrückt“ lautet. Ich habe selten Glück.

Auch die Antwort auf die Frage nach etwaigen Fehlermeldungen kann in Windeseile jeden Funken Menschenfreundlichkeit im bislang noch hilfsbereiten Zuhörer auslöschen. Die Leute klicken Fehlermeldungen weg. Gerne auch mehrfach. Es ist, als wenn sie befürchten, das Lesen von Fehlermeldungen würde ihnen die Seele rauben. Dass gelegentlich die Lösung zu ihrem Problem in diesen Meldungen stecken könnte, scheint ein zu wagemutiger Gedanke zu sein. Mir wurde glaubhaft von mehreren Begebenheiten berichtet, in denen angeblich produktive Mitglieder der menschlichen Gesellschaft den Kundendienst bemühten, weil ihr Drucker mit einer Fehlermeldung den Dienst verweigerte. Die Fehlermeldung, die sich niemand von den Büromitarbeitern zu lesen traute, weil sie ja sicher viel zu kryptisch und technisch war? „Bitte Papier nachlegen!“

Als wenn das nicht frustrierend genug wäre, kann man aus den Reaktionen der Hilfsbedürftigen erkennen, dass mit jeder Rückfrage ihr Vertrauen in die Kompetenz des Helfers schwindet. Schließlich haben sie sich mit der eindeutigen Fehlerbeschreibung „Es geht nicht“ gemeldet, und der Typ gegenüber wusste nicht auf Anhieb, was da schiefgelaufen sein könnte. Und jetzt versucht er mit seinen unnötigen Fragen, Zeit zu schinden. Pah. Ist ja nicht so, als wenn moderne Technik wahnsinnig kompliziert wäre und es mehr als einen Punkt gäbe, an dem sie versagen könnte.

So musste ich schon öfter erleben, dass ich nach einer halben Stunde langwieriger Informationsbeschaffung den sicheren Exitus der technischen Gerätschaft diagnostizieren konnte – und mir dann anhören durfte: „Ach, du weißt also auch nicht so richtig Bescheid. Na dann frag ich noch wen anderes.“ Diesen Menschen ist gar nicht klar, wie dankbar sie sein sollten, dass die deutsche Verfassung den Besitz von Schusswaffen nicht als Bürgerrecht festschreibt.

Ich weiß nicht, wie hauptberufliche Servicetechniker und Hotline-Sklaven ihre Jobs überstehen, ohne nach spätestens zwei Jahren Amok zu laufen. Eigentlich sollte es für die einen eigenen Feiertag geben. Also seid bitte lieb zu ihnen, sie haben es verdient.

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